Von der Idee zur nachhaltigen Surf Finne. Ein Interview mit Anna und Sebastian von Sieve Fins über Surfen, Abenteuer und Gründen.
Sieve Fins stellt wunderschöne Surf-Finnen aus recyceltem Plastik her, produziert in Deutschland. Wir haben mit den beiden über die Herausforderung von Plastik-Recycling gesprochen, über Abenteuer und wie man seinen Reisealltag nachhaltiger gestalten kann. Und natürlich haben die beiden noch Tipps zu Surfspots und der passenden Finnenwahl mit im Gepäck. Wir freuen uns schon auf unseren nächsten Surf-Trip mit einer nachhaltigen Sieve Finne.
Wie seid ihr auf die Idee gekommen Surf Finnen herzustellen? Und wie hat sich eure Einstellung zum Surfen durch euer Projekt verändert?
Anna und Sebastian von Sieve Fins
Die Idee Surf Finnen aus recyceltem Plastik herzustellen kommt von Sebastian. Sebastian ist einer dieser Menschen, die durch die Welt gehen und denen ständig Dinge auffallen, die man noch anders, besser oder neu machen könnte. Und ähnlich war es mit den Finnen. Sebastian kommt ursprünglich aus dem Modellbau und hat lange in der Automobilindustrie gearbeitet. Zum einen stieß er dort vor einigen Jahren erst einmal auf taube Ohren, als er Projekte voranbringen wollte, die Rezyklat (recycelter Kunststoff) statt Neu-Kunststoff verwenden. Und zum anderen hatte er wohl Zeit zwischen den Wellen beim Surfen, um sich zu fragen, ob die Finnen unter seinem Board nicht eigentlich auch aus Rezyklat hergestellt werden könnten. So kam eines zum Anderen und wir haben uns dann beim Surfen in Portugal kennengelernt. Ich hatte gerade einen abgeschlossenen BWL Master und wenig Lust auf die Corporate Welt und Sebastian eine tolle Idee und einen Prototypen.
Surfen ist für mich immer eine Auszeit und es sind für mich häufig mit die schönste(n) Stunde(n) am Tag. Und ich denke, wie im Leben, ist es auch beim Surfen wichtig sich nicht zu ernst zu nehmen und sich einfach bewusst zu sein, was für ein schönes Privileg es ist im Wasser sein zu dürfen. Und daran hat sich zum Glück auch rein gar nichts geändert. Außer, dass wir vorher sicher nicht so viel auf Finnen geschaut haben und sich Leute sicherlich manchmal fragen, warum wir ihre Boards so anstarren ;).
Stimmt es, dass man nicht einfach alles Plastik, was man am Strand findet, einfach so recyceln kann? Aus was für Plastikmüll bestehen eure Finnen und wie aufwändig ist der ganze Prozess? Was ist die Herausforderung beim recyceln von Plastik?
Sieve Fins - hergestellt aus recycelten Flaschendeckeln
Ja - Recycling ist leider gar nicht so einfach, wie man sich das gerne vorstellt. Wir sind ursprünglich auch mit der Idee gestartet Surf Finnen aus Abfall, den wir am Strand finden zu produzieren. Diese ersten Prototypen waren aber leider viel zu weich und so hätten wir kein langlebiges Produkt schaffen können. Um Kunststoff zu recyceln, muss er erstens sortenrein getrennt sein, was gar nicht so einfach ist. Und zweitens, sollte er idealerweise noch eine gute Qualität haben. Plastik, das man am Meer findet z.B. ist häufig schon sehr porös und verschmutzt. Dieses Plastik ist fast unmöglich professional zu recyceln. Aus solchen Funden pressen wir inzwischen Knöpfe oder kleine Finnenschlüssel aber von Hand ohne professionelles Recycling.
Unsere Finnen bestehen aus recycelten Flaschendeckeln. Diese werden in Deutschland gesammelt, gereinigt und aufbereitet. Anschließend fügen wir Glasfaser hinzu, um den Finnen die notwendige Stabilität zu geben. Aktuell arbeiten wir an einer Möglichkeit um auch bei der Glasfaser auf recyceltes Material zurückgreifen zu können. Das ist leider gar nicht so einfach, daher wird die Glasfaser momentan noch neu hinzugefügt.
Wo und wie werden eure Finnen produziert? Was ist das besondere an euren Finnen?
Wir produzieren die Finnen aktuell noch selbst in Kooperation mit der Firma Reichle im Süden von Deutschland. Anschließend prüfen wir jede Finne von Hand, drucken unsere Logos auf, bestempeln unsere Verpackung und prüfen sie anschließend. Da ist noch eine Menge Handarbeit in unseren Prozessen, die wir aber auch sehr genießen. Meistens zumindest - wenn nicht gerade die Logodruckmaschine macht, was sie will oder wir beim Einsortieren mal wieder vergessen haben zu Zählen ;). Und so wissen wir genau, was für ein Produkt bei unseren Kunden ankommt.
Das Besondere an unseren Finnen ist, dass sie mit einer Oberflächentextur versehen sind, die wir gemeinsam mit der Firma Reichle entwickelt haben. Wir haben uns überlegt, wie wir recyceltes Plastik aufwerten können, um dem Material mehr Wertschätzung und Aufmerksamkeit zukommen zu lassen und so sind wir auf die Textur gekommen. Die Texturen erinnern an marine Strukturen (wie eine Swell Chart, Wellen Linien, usw.). Darüber sind wir schon mit vielen Leuten ins Gespräch über das Material gekommen und können so etwas zum Kunststoff Recycling und Möglichkeiten verantwortungsvoll mit Kunststoff umzugehen erzählen.
Ihr seid gerade unterwegs im schönen Norwegen. Wie denkt ihr über das Thema Surfen und Nachhaltigkeit? Habt ihr Tipps wie man die Ausrüstung oder auch den Reisealltag nachhaltiger gestalten kann?
Ich denke gerade im Surfsport ergibt sich häufig eine große Widersprüchlichkeit. Die meisten Surfer sind sehr naturverbunden und achten auf Nachhaltigkeit. Der Sport an sich jedoch ist gar nicht unbedingt so nachhaltig. Häufige weite (Flug-)Anreisen; Surfboards aus wenig umweltfreundlichem Material, Surf Wax mit Inhaltsstoffen, die das Meer belasten, Neopren Anzüge, die nur einige Saisons halten …
Aber es tut sich eine Menge. So reisen wir aktuell z.B. mit Boards, die aus nachhaltigeren Blanks gefertigt wurden, verwenden nachhaltiges Wax, achten darauf, dass unsere Sonnencreme nicht schädlich ist, usw. Wer Alternativen finden will, kann diese auf jeden Fall finden, kann überlegen ob gerade bei kürzeren Trips vielleicht auf das Flugzeug verzichtet werden kann, ob Boards oder anderes Equipment Second-Hand gekauft werden können, kann bei der Wahl von Wax und Sonnencreme auf Inhaltsstoffe achten, usw. Natürlich sind auch wir weit entfernt davon perfekt zu sein, aber ich denke wer will findet Produkte und Lösungen, die ein nachhaltigeres Surfen ermöglichen.
Was bringt euch am meisten Freude an Sieve Fins und eurer selbstständigen Arbeit?
Aktuell können wir unsere Arbeit wunderbar in Einklang mit den Wellen bringen. Sind Wellen und Wetter gut, arbeiten wir auch schon mal etwas weniger. Regnet es und das Meer sieht aus wie ein See, findet man uns meist an unseren Laptops. Abgesehen von dieser Selbstbestimmtheit sind es aber vor allem die Menschen, die wir treffen, die uns Freude bringen. Ein eigenes Unternehmen aufbauen kann großartig, manchmal aber auch ganz schön anstrengend sein. Zum Glück durften wir schon viele tolle andere Unternehmer, Kunden, Surfer, und vor allem Menschen kennenlernen. Der Austausch und das Feedback motiviert und inspiriert uns immer wieder. Das ist sicherlich die größte Freude und Belohnung.
Ein Unternehmen aufzuziehen ist nicht immer leicht. Was waren und sind die größten Herausforderungen für euch?
Da wir auch unseren ganzen Produktionsprozess selbst übernehmen, war der Aufbau des Prozesses sicherlich die größte Herausforderung. Hier standen wir am Anfang vor einer Mammut Aufgabe. Denn wie kommen wir von unserem Rezyklat nun hin zu einer fertigen Surf Finne (mit Logo und allem Schnickschnack)?
Aber wir haben gelernt, das auch mit dem fertigen Produkt die Herausforderungen nicht aufhören (wie sollte es auch anders sein ;)). Aktuell gilt es für uns vor allem am Markt bekannt zu werden und zu zeigen, dass unsere Surf Finnen aus recycelten Materialien durchaus mit denen der großen Namen mithalten können. Zudem arbeiten wir gerade an der Entwicklung neuer Modelle und stehen somit auch (mal wieder) vor der Herausforderung der Finanzierung. Es wird also nie langweilig.
Verratet ihr uns eure Lieblingssurfspots? Secret Spots dürft ihr natürlich für euch behalten ;)
Schwierige Frage. Dieses Jahr waren wir schon in Cornwall, Schottland und jetzt in Norwegen unterwegs und jeder Spot und jedes Land hat etwas ganz eigenes, dass es zum Land der Lieblingsspots machen könnte. Aber nach wie vor zieht es uns immer wieder nach Portugal. Dort mögen wir die Ecke rund um Ericeira und Peniche besonders gern. Auch wenn das sicher nicht ganz so ausgefallen ist, die Qualität der Wellen und ein kühles After-Surf Bier in der Abendsonne verlieren doch nie ihren Reiz.
Surf Finnen sind ja ein sehr technisches Thema. Könnt ihr ein paar nützliche Tipps geben, für alle die sich bisher noch nicht mit dem Thema auseinander gesetzt haben?
Bei der schieren Auswahl an Surf Finnen kann man schon einmal schnell den Überblick verlieren. Wichtig ist es erst einmal zu verstehen, welches Set-up man fahren möchte. Und auch wenn es sehr banal klingt: welche Finnen Box das eigene Board eigentlich hat. Wir hatten z.B. auch schon Kunden, die eine Future Finne bestellen wollten und uns ein Bild ihres Boards geschickt haben, das aber eine FCS Box hatte.
Hat man schon einmal raus, welches System und welches Set-up, kann man sich als nächstes überlegen welche Größe die Finnen haben sollen. Hier sollte man sich auch am eigenen Körpergewicht orientieren.
Danach wird es komplizierter, wenn es dann um Flex, Rake und das Profil der Finnen geht. Hier gibt es aber viele gute Artikel, die einem weiterhelfen oder man lässt sich im nächsten Surfshop beraten. Die Finne kann das Fahrverhalten des Boards im Wasser schon maßgeblich verändern, daher lohnt es sich auf jeden Fall sich mit der Finnen Auswahl auseinanderzusetzen. Das war natürlich nur eine sehr kurze Zusammenfassung und man kann sehr tief in das Thema einsteigen. Wir beantworten aber auch immer gerne Fragen, wenn man uns einfach schreibt.
Welche Projekte habt ihr für die Zukunft noch geplant und wo würdest ihr Sieve Fins in 10 Jahren gerne sehen?
Ehrlicherweise sind wir gar nicht so die großen Planer. Vieles geschieht irgendwie. Wir haben auf jeden Fall noch viele Ideen (oder Spinnereien), die wir gerne umsetzen würden. Ob Idee oder Spinnerei stellt sich dann häufig erst später und spätestens bei der Umsetzung heraus. So beschäftigt uns gerade zum Beispiel die Idee den nächsten Trip mit einem Segelboot zu machen und uns so mit Windkraft fortzubewegen statt mit Diesel. Mal sehen ob Idee oder Spinnerei …
Wenn wir in 10 Jahren mit Sieve ein nachhaltiges Unternehmen aufgebaut haben, von dem wir leben können und das uns und unseren Kunden Freude bringt und vor allem zeigt, wie man kreativ und nützlich mit Industrie- und Post-Consumer Abfällen umgehen und daraus neue Produkte entwickeln kann, dann haben wir ziemlich viel erreicht. Denn wir glauben, dass die sinnvolle Verwendung von Abfall eines der großen Themen ist, das unsere Zukunft bestimmen wird. Wenn dann noch jeder Surfer eine Sieve Finne an seinem Board hätte, wäre unser Glück nahezu perfekt.
Daher: Schauen wir mal, was noch kommt. Wir sind auf jeden Fall gespannt.
Wer jetzt neugierig geworden ist, sollte unbedingt bei Sieve Fins vorbeischauen. Auf Instagram gibt es eine Portion Waves, Natur und Reiselust.